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Die marmornen Träume, ein Buchtipp von Jürgen Kasten

Elend, Schmutz und Armut. Ausschweifende Exzesse in Kellerbars und Nachtclubs. In den Straßen marodierende SA-Horden, SS-Folterknechte und Mörder, die Jagd auf Juden, Sinti, Roma und alles "minderwertige Leben" machen.

Als Kontrast dazu die mondäne Welt der Reichen, die das System unterstützen und die Nazis finanzieren. Ihre schönen jungen Frauen treffen sich zum Champagner im Adlon. Eine von ihnen wird ermordet, ausgeweidet wie Schlachtvieh.

Grangés neuester Thriller spielt im Berlin der Jahre 1933 bis 1942, inklusive der historischen Fakten. Seine Sprache ist so brutal wie die Taten, denen er weitere folgen lässt.

Das erste Drittel des Buches ist schwer zu ertragen, nichts für schwache Nerven. Die Protagonisten allesamt verkommene Individuen. Simon Kraus, ein Psychoanalytiker, spezialisiert auf Traumdeutung. Er behandelt die Frauen aus dem Adlon, schläft mit ihnen und erpresst sie mit dem Wissen aus ihren Träumen, aus denen die Verachtung für die Nazis spricht.

Minna von Hassel, Spross einer adligen Industrieellenfamilie, Psychiaterin, drogen- und alkoholabhängig. Sie leitet eine " Irrenanstalt". In der vegetiert auch der vom ersten Weltkrieg traumatisierte Vater von Franz Beewen. Der, als einfältiger Bauernjunge dargestellt, hat sich bei der Gestapo zum Hauptsturmbannführer hochgearbeitet. Folter und Mord haben ihn dazu qualifiziert.

Alle drei finden auf wundersame Weise zu einem Ermittlungsteam zusammen. Was sie verbindet? Die ermordete Frau hatte zuvor von einem unheimlichen Mann mit Marmormaske geträumt. Den gilt es zu finden und zu eliminieren. Die Öffentlichkeit darf weder von den Morden, noch von den Ermittlungen erfahren. Im arischen deutschen Volk gibt es solche Verbrechen nicht.

Grangés kreiert präzise, knappe Sprachbilder. Bei allem Schrecklichen, was er beschreibt, fügt er auch immer wieder poetische Passagen ein, die versöhnlich stimmen. Im Verlauf der Geschichte nehmen seine Charaktere an Profil zu, zeigen überraschende Facetten, die sie menschlicher werden lassen. Kurze Kapitel treiben die Handlung voran. Grangés überrascht mit einem nicht vorhersehbaren Schluss.

Fazit: 700 Seiten Spannung, ein gruseliger Plot, der das Naziregime erschreckend fassbar macht. Eine irre Geschichte, die nicht leicht zu verdauen ist.

Thriller
Einband: gebundenes Buch
EAN: 9783608501711
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